Branchen-kopf: Rainer Karcher

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PORTRÄT RAINER KARCHER: AKTIVIST IM ANZUG

In der malerischen Landschaft südlich von München, dort, wo die Natur noch in vollen Zügen atmet, lebt Rainer, ein 46-jähriger Vater von drei Kindern, der seine Leidenschaft für Informationstechnologie mit einem tiefgreifenden Engagement für den Umweltschutz verbindet. Einst wandelte er durch die Korridore großer Konzerne wie IBM, Siemens oder Allianz Technology und trug als IT und Nachhaltigkeitsexperte – zuletzt auch als Chief Sustainability Officer – zum digitalen und nachhaltigen Fortschritt bei. 

Eine Karriere an der Schnittstelle von Technik und Nachhaltigkeit

Rainers berufliche Reise begann in der Welt der Informationstechnologie. Dort erlebte er über zwei Jahrzehnte hinweg aus erster Hand, wie digitale Lösungen Geschäftsmodelle transformieren und Effizienz steigern können. Doch mit der Zeit wuchs in ihm die Erkenntnis, dass technologischer Fortschritt auch verantwortungsvoll gestaltet sein muss, um zukünftige Generationen nicht zu belasten.

Der Wendepunkt

Die Geburt seines ersten Kindes markierte einen Wendepunkt in Rainers Leben. Plötzlich stand nicht mehr nur die Frage im Raum, wie Technologie Geschäfte verbessern kann, sondern vielmehr, wie sie dazu beitragen kann, eine lebenswerte Welt für seine Kinder zu hinterlassen. Diese persönliche Offenbarung führte ihn zu einer tiefen Auseinandersetzung mit Themen wie nachhaltige Landwirtschaft und Permakultur, die ihn schließlich dazu inspirierten, seinen beruflichen Fokus zu verschieben.

Die Gründung der Heartprint GmbH

Am 1. Juli 2024 nahm Rainers berufliche Laufbahn eine entscheidende Wende: Er verließ die Sicherheit seines Konzernjobs, um die Heartprint GmbH zu gründen. Dieses Unternehmen ist das Produkt seiner Vision, Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu vereinen – zwei Kräfte, die er als entscheidend für die Lösung globaler Herausforderungen ansieht. Der “Heartprint” ist dabei die logische Weiterentwicklung von Footprint und Handprint. "Was es laut meinen eigenen Erfahrungen auch braucht, ist der Heartprint, Das heißt eine Emotionalität und eine Leidenschaft beim Thema Nachhaltigkeit, eine Verbindung, die ans Herz geht", erklärt Rainer. Sein Ziel ist es, auch kleinere Firmen zu unterstützen, die sonst keinen Zugang zu den notwendigen Ressourcen für eine nachhaltige Transformation hätten.

Permakultur: Ein Hobby, das zur Berufung wurde

Sein Interesse für Nachhaltigkeit wurzelt nicht nur in beruflichen Themen. So ist Permakultur für ihn mehr als nur ein Hobby; es ist ein wesentlicher Bestandteil seiner Philosophie. In seinem eigenen Garten experimentiert er mit nachhaltigen Anbaumethoden, die er auch in seinen beruflichen Projekten umsetzt. "Es geht darum, Kreisläufe zu schließen und Ressourcen sinnvoll zu nutzen", sagt er. Sein kleiner Garten dient ihm als Modell für die Prinzipien der Permakultur, die er in größeren Maßstäben auf seine Projekte überträgt.

Zusammenarbeit über Wettbewerbsgrenzen hinweg

Rainer glaubt fest daran, dass echte Nachhaltigkeit nur durch Kooperation erreicht werden kann. Er arbeitet regelmäßig mit anderen Unternehmen zusammen, auch mit solchen, die man traditionell als Konkurrenten sehen könnte.

"Wir teilen doch ein gemeinsames Ziel – eine nachhaltigere Welt. Es macht also keinen Sinn, hier im Wettbewerb zu stehen",

erklärt er. Dazu kommt, dass

“... wir nicht fünf vor, sondern fünf nach Zwölf haben. Das heißt, wir haben gar nicht mehr die Zeit, gegeneinander zu arbeiten, Intellectual Property für sich zu bewahren und Wissen nicht offen zu teilen. Sondern wir müssen an einem Strang ziehen und gemeinsame Sache machen. Und das Schöne in der Nachhaltigkeitsblase ist – und es ist faktisch eine Blase – dass sie den gemeinsamen Gedanken hat, für das Gute zu arbeiten und nicht für den eigenen Profit in erster Linie.”

Nachhaltigkeit durch IT

Zwei Säulen sind laut Rainer entscheidend für Emissions-Einsparpotenziale durch IT. Erstens die “Nachhaltigkeit in der IT”: Darunter fallen Begrifflichkeiten wie Green Coding (c++ gilt übrigens als eine der umweltfreundlichsten Programmiersprachen) oder Cloudification. Mindestens genauso interessant ist in diesem Kontext aber auch die “Nachhaltigkeit durch IT”. Da geht es laut Rainer um Fragen wie: “Wo kann ich durch Digitalisierung, durch Automatisierung primär Nachhaltigkeit unterstützen, Transparenz schaffen, wo kann ich überhaupt vielleicht auch Menschen Freiräume geben? Mittlerweile gibt es unzählige Softwarelösungen, die genau da unterstützen und beispielsweise beim Datensammeln und bei der Reporting Erstellung notwendige Kapazitäten freiräumen.”

Software als Erlöser?

Hat also auch im Nachhaltigkeitsbereich die Software eine erlösende Funktion? Rainer sagt: “Im Moment sind ein großer Teil von Sustainability Manager:innen quasi in langen Tagen und Wochen damit beschäftigt erstmal Daten zu sammeln und Daten aufzubereiten und dann für Reportings zu verschieben oder für Ratings bereitzustellen. Oder Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen und in deren Auditing zu begleiten. Das heißt, sie sind 50% des Jahres eigentlich mit nichts anderem beschäftigt. Und diese Tätigkeit ist aktuell noch notwendig, verändert wiederum die Zukunft nicht, denn das verändert das Unternehmen nicht, das macht es nun mal gar nicht nachhaltiger. Wenn aber Sustainability Manager:innen weniger Zeit in Reportings investieren und mehr Zeit für den wesentlichen Kern haben, dann kann positive Veränderung passieren.”

Die größte Transformation der Menschheit

Im Gespräch darüber, wie die Wahrnehmung der Wichtigkeit von Nachhaltigkeitsmanager:innen in Unternehmen gesteigert werden kann, ist sich Rainer sicher: “Eines der wichtigsten Elemente ist, dass speziell in den oberen Etagen der Unternehmen, in den Vorständen und im Board verstanden wird, dass Nachhaltigkeit nicht irgendwo eine Abteilung ist oder vielleicht ein-zwei Menschen sind, die machen es nachhaltig und der Rest macht weiter wie bisher und dann passt das schon. Besonders wichtig ist, dass man es als Transformation versteht. Und das ist es faktisch. Das ist nichts anderes als die größte Transformation, die wir als A als Menschheit und B als Unternehmen in der Wirtschaft durchlaufen müssen.”

Die Zukunft der Nachhaltigkeitsabteilungen 

Rainer ist optimistisch, was die Zukunft seiner Zunft angeht. “Ich glaube und ich hoffe, dass, wenn wir als Nachhaltigkeitsverantwortliche unseren Job richtig machen, dass wir irgendwann total tiefenentspannt mit Füßen auf dem Schreibtisch draußen beobachten können und noch ein bisschen screenen müssen, was kommt denn da so neues rein und das dann übersetzen müssen.” Denn er glaubt, dass wir in vielleicht 10 Jahren, 15 Jahren an den Punkt gekommen sind, an dem es mittlerweile “alle kapiert haben, egal in welchem Job sie sind, egal in welcher Verantwortung sie sind, ob ganz oben im Vorstand oder irgendwo anders” 

Der Aktivist im Anzug

Am Schluss des Gesprächs, kommen wir nochmal darauf zu sprechen, wie es eigentlich zu Rainers persönlichem Branding “Aktivist im Anzug” kam. Er hat für sich den aktivistischen Aspekt entdeckt, lange bevor er im Job unterwegs war, da war er sehr viel auf Demos, hat protestiert, war auch viel politisch aktiv – mittlerweile ist er “nur” noch inaktives Mitglied in einer Kleinstpartei. Und dann hat er irgendwann, als er das Thema in den Job reingetragen hat und bei Siemens damals angefangen hat, versucht, den Wirtschaftskontext abzubilden. Manchmal war er wohl so emotional in diesem Thema, dass er von einem Kollegen gesagt bekam: “Ich finde es echt spannend, wie du das so kombinierst zwischen einerseits diesem Großkonzerngedankengut und der Wirtschaft. Und auf der anderen Seite bist du aber voll der Aktivist, also eigentlich bist du so ein Aktivist im Anzug.” Seitdem benutzt er dieses Branding. Und irgendwie passt es auch ganz gut zu ihm.

Optimistischer Blick in die Zukunft

In Rainer finden wir nicht nur einen Experten der IT, sondern auch einen Nachhaltigkeitsexperten, der gute Impulse parat hat, wie tiefgreifender Wandel möglich ist – und das mit einer Prise Humor und einer großen Portion Herz. Was uns gut gefällt: Trotz Weltschmerz, den auch er manchmal verspürt, lässt er sich nicht unterkriegen und blickt grundsätzlich optimistisch in die Zukunft. Weiter so!

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