Branchen-Kopf: Alex Kraemer

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Alex Kraemer: Ein Nachhaltigkeitsmanager zwischen Wandel, Optimismus und den Herausforderungen der Realität

Seit nunmehr zwölf Jahren engagiert er sich in einem Berufsfeld, das ständig im Wandel ist und das Talent erfordert, zwischen Herausforderungen und Chancen zu balancieren. „Ich glaube fest daran, dass das, was ich tue, etwas verändern kann – für Menschen, Tiere, die Umwelt,“ sagt er mit einem leichten Lächeln. Seine Worte spiegeln eine tiefe Überzeugung wider: Nachhaltigkeitsmanagement ist für ihn nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung, die das Potenzial hat, die Welt ein kleines Stück besser zu machen - trotz der Frustrationen, mit denen man manchmal zu kämpfen hat.

Von kosmischer Strahlung zum sozialen Unternehmertum

Dabei sah seine berufliche Zukunft nicht immer so aus. Als Kind träumte er davon, Pilot zu werden. Sein Patenonkel bei der Lufthansa brachte ihn einmal zum Landeanflug in Sydney mit ins Cockpit – ein Erlebnis, das Alex beeindruckte. Aus dem Kindheitstraum wurde im Laufe der Zeit etwas anderes. Alex studierte Ost-Asienwissenschaften und fand sich in Finanzabteilungen in Hochhäusern in Hongkong wieder. Schnell erkannte er, dass diese Welt nicht die seine war. „Es fühlte sich einfach falsch an,“ erinnert er sich.

Eine neue Richtung fand er in einem Praktikum in Laos, wo er erstmals soziales Unternehmertum kennenlernte. Der Gedanke, dass wirtschaftliches Handeln nicht nur auf Profit, sondern auch auf sozialen und ökologischen Nutzen ausgerichtet sein kann, veränderte seine Sichtweise auf seine Karriere. Von da an war der Weg ins Nachhaltigkeitsmanagement geebnet. 

Von Praktika bei PwC im Bereich Nachhaltigkeit über die Diplomarbeit bei der Bertelsmann-Stiftung bis hin zu seiner Tätigkeit in einer Unternehmensberatung – seine Karriere entwickelte sich entlang der Schnittstelle zwischen Marktorientierung und Wirkung. Doch der Weg war nie gerade. „Ich bin nicht so der klassische Straightforward-BWLer,“ gesteht er. „Ich habe viel ausprobiert, bin von der harten Betriebs- und Volkswirtschaft zu etwas Weicherem übergegangen. Und das fühlt sich für mich richtig an.“

Die Realität des Wandels: Zwischen Sinnstiftung und Rückschlägen

Nachhaltigkeitsmanagement klingt nach einer zukunftsweisenden und sinnstiftenden Aufgabe - und das ist es auch. Doch hinter der Fassade dieser Berufung verbirgt sich auch eine wiederkehrende Herausforderung: Wie schafft man es, Unternehmen zu überzeugen, sich tatsächlich zu verändern? „Es gibt viele Mittel und Wege, in großen und kleinen Unternehmen die Transformation zu schaffen,“ sagt Alex. Doch es gibt auch viele Hindernisse. In seiner Laufbahn hat er immer wieder erfahren, dass nicht jedes Unternehmen bereit ist, den notwendigen Wandel zu vollziehen. Widerstand ist an der Tagesordnung.  Daher sei oft Geduld gefragt – und manchmal auch die Einsicht, dass man nicht jeden überzeugen kann.

Alex erinnert sich an eine Zeit, in der er fünf Jahre lang in einem mittelständischen Unternehmen gearbeitet hatte. „Ich hatte das Gefühl, wir hatten alle Themen schonmal besprochen", berichtet er. Letztlich entschied er sich, ein anderes Angebot anzunehmen, weil er wusste, dass es manchmal einen frischen Wind braucht, um den Wandel voranzutreiben. „Manchmal reicht es, wenn jemand geht, damit die Transformation weitergeht,“ reflektiert er heute. „Veränderungen brauchen oft neue Perspektiven und neue Wege, durch andere Leute. Im Nachhinein die beste Entscheidung für die Sache, mein Nachfolger hat schneller mehr bewegt als ich. Wirklich genial.“

Die Herausforderung der „Transformationsmüdigkeit“

Ein großes Problem, dem Alex und seine Kolleg:innen aktuell gegenüberstehen, ist das Narrativ der Transformationsmüdigkeit. Nach einer Phase intensiver Klimadebatten, vor allem durch die Fridays-for-Future-Bewegung, ist heute oft eine Art Ermüdung gegenüber dem Thema Nachhaltigkeit zu spüren. „Wir hatten diese Phase, in der Nachhaltigkeit und Klimaschutz plötzlich alle wachgerüttelt haben,“ erinnert sich Alex. „Doch was ist in den letzten Monaten passiert? Es ist still geworden.“ Was einst eine Bewegung war, die Menschen aufgerüttelt und inspiriert hat, ist heute oft auf das Einhalten von Regeln reduziert. „Es geht nicht mehr darum, wirklich etwas zu verändern, sondern nur noch darum, dass die Datenprozesse und Complianceanforderungen aufgebaut und erfüllt werden,“ sagt Alex mit einem Anflug von Sorge. 

Regelkonformität als Chance echter Transformation

Eine wachsende Herausforderung, die Alex in seinem Umfeld immer mehr beobachtet, ist der Fokus vieler Unternehmen auf Regelkonformität anstatt auf echte Transformation. „Früher ging es viel um freiwilliges Engagement,“ sagt er. „Unternehmen wie Vaude oder Alnatura waren Pioniere, die wirklich etwas bewegen wollten.“ Doch heute gehe es oft nur noch darum, Regularien zu erfüllen. „Es gibt viele Regeln und Vorschriften, sodass es Unternehmen kaum wagen, über das Notwendige hinauszugehen,“ erklärt Alex. „Es geht oft nicht mehr darum, zu fragen: Wie können wir wirklich besser werden? Sondern nur noch um: Was müssen wir tun, um den Vorschriften zu entsprechen?“ 

Doch für Alex ist Nachhaltigkeit mehr als das Erfüllen von Vorgaben – es geht schließlich darum, kontinuierlich besser zu werden. Daher ist für ihn der Weg zur Nachhaltigkeit ein stetiger Lernprozess, der weit über das Erfüllen von Regularien hinausgeht. Er sieht sich als jemand, der die richtigen Leute kennt, so dass Unternehmen über diese Anforderungen hinauswachsen können und echte, langfristige Veränderungen anstoßen.

Und die Zukunft des Nachhaltigkeitsmanagements?

Wie sieht also die Zukunft für Nachhaltigkeitsmanager: innen aus? Die Frage, was nach der Erfüllung all dieser Regularien kommen wird, ist für Alex spannend, aber auch ein bisschen beunruhigend. „Ich weiß es wirklich nicht,“ gibt er zu. „Wir haben Anfang des Jahres in einem Workshop versucht, das Zukunftsbild der Nachhaltigkeitsmanager:innen im Jahr 2030 zu skizzieren. Wir waren uns alle einig, dass wir uns uneinig sind. Wer weiß, vielleicht gibt es uns eines Tages gar nicht mehr,“ scherzt er, „weil Nachhaltigkeit dann so tief in den Unternehmen verankert ist, dass es keine spezialisierte Rolle mehr braucht.“ Die Zukunft des Berufs ist unklar, und Alex scheint diesen Zustand der Ungewissheit fast zu genießen. Denn diese Ungewissheit ist gleichzeitig auch ein Feld voller Möglichkeiten neue Karrierewege und -geschichten zu formen.

Ein romantischer Idealist auf der Suche nach 15.000 Geheimagent:innen

Auf die Frage, ob er Idealist ist, antwortet er ohne zu zögern: “Ja, bin ich. Aber ein romantischer Idealist!” Und er ist wohl auch pragmatisch genug zu wissen, dass Idealismus allein nicht ausreicht. „Es braucht gute Organisation, Zeitmanagement und Prioritäten.“ Außerdem umgibt er sich mit Menschen, die seine Leidenschaft teilen. „Ich suche mir Leute, die mitstreiten und mitwirken,“ erklärt er. „Es gibt so viele tolle Menschen da draußen, die einem helfen können, wenn man nur bereit ist, zusammenzuarbeiten.“

Trotz aller Herausforderungen bleibt Alex optimistisch. Seine persönliche Mission? „Die CSRD verpflichtet bald 15.000 Unternehmen, also brauchen wir so viele Nachhaltigkeitsverantwortliche. Ich will diese 15.000 Geheimagenten in den Unternehmen haben, die die Transformation vorantreiben.” Und was ist der zugrundeliegende Antrieb? “Das mache ich alles auch für meine dreijährige Tochter...” 

Es ist dieser spielerische Eifer, der im Gespräch mit Alex immer wieder klar und deutlich sichtbar wird und ihn als Gesprächspartner so interessant macht. Ist das sein Antrieb, der ihm die Energie gibt, auch in schwierigen Zeiten weiterzumachen?

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